„Mädchen, Junge, Kind“
Mädchen oder Junge, rosa oder blau: Schon bevor ein Kind das Licht der Welt erblickt, haben Menschen stereotype Vorstellungen und projizieren diese auf das Ungeborene. Wie können diese Normen durchbrochen werden? Und warum ist es ein Thema, wenn Jungen Röcke tragen? Im Kurzinterview äußert sich die Autorin Daniela Thörner zu diesen und noch mehr Fragen.
Daniela, du bist Sozialpädagogin, Diversity-Trainerin und Sexualpädagogin. Was macht dir an deiner Arbeit besonders Spaß und was frustriert dich?
Ich habe großen Spaß dabei, wenn ich Menschen in Prozessen begleiten darf. Was mich dabei frustriert ist, dass insbesondere in der Pädagogik die Strukturen weder viel Zeit, noch (finanzielle) Ressourcen ausreichend bereitstellen, aber einen sehr hohen Anspruch an Mitarbeitende haben.
In deinem Buch „Mädchen, Junge, Kind“ schreibst du, dass Kinder, die als Jungen aufwachsen und einen Rock tragen, bei vielen Menschen verschiedene Gefühle auslösen können. Oftmals sind es ja Unverständnis und Ablehnung. Was ist dir als Diversity-Trainerin besonders wichtig bei deinen Workshops und Talks, um Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren und empowern?
Mit Blick auf Sensibilisierung wäre das: Verstehen, dass sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zwei verschiedene Dinge sind. Wenn sie das verstanden haben, sollen sie verstehen, wie sie über Jungen im Rock reden können, ohne homophob zu argumentieren, was leider so gut wie immer passiert.
Wir alle haben eine Vorstellung oder besser gesagt, „stereotype Annahmen“ zu einem bestimmten Geschlecht, die bereits auf das Ungeborene Kind projiziert werden. Spätestens nachdem Eltern wissen, „was es wird“, wird oftmals in Kategorien „blau“ und „rosa“ gedacht und gekauft. Wie kann man das durchbrechen?
Viele haben gute Erfahrungen damit gemacht, das Kind einfach weiter Baby und Kind zu nennen, auch für sich selbst im Kopf, denn damit ist ja eigentlich alles gesagt. Bei Entscheidungen zu Kleidung oder ähnlichem ist eine Option sich zu fragen, ob wir dieses Kleidungsstück jedem Kind anziehen würden. Das klingt simpel, ist es aber für viele nicht. Wir denken bei manchen Kleidungsstücken sie könnten erniedrigend sein, wenn sie nicht vom „richtigen Geschlecht“ getragen werden. Kleidung, die für ein Kind erniedrigend sein kann, sollte von keinem Kind getragen werden.
Was ist dein konkreter Tipp, um einem Kind das Geschlecht zu erklären? (Oder, wie es in deinem Buch so schön steht: „Geschlecht erklären ohne Geschlecht zu erklären“).
Also in meinem Buch ist ja erklärt, wie Erwachsene es aus (gelernter) Sprachlosigkeit und Scham schaffen, Kindern Geschlecht zu erklären, ohne beispielsweise jemals Wörter für Geschlechtsorgane in den Mund zu nehmen. Was Kinder brauchen, sind Erwachsene, die ihnen helfen die Welt zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. „Viele Menschen denken, dass alle Jungen einen Penis haben und am liebsten nur mit Autos spielen“. Hier brauchen Kinder Erwachsene, die ihnen ihre Beobachtungen von der Welt nicht ausreden. Die Welt schafft Normen und diese werden von Kindern beobachtet. Sie sind wirklich gut im Beobachten und sollten damit ernstgenommen werden. „Ja, das hast du richtig beobachtet. Viele Menschen denken das so.“ Aber hier sollten wir nicht verweilen, sondern mit Kindern gemeinsam über die Einseitigkeiten ins Gespräch kommen und helfen Normen aufzubrechen. Ein Gewinn für ALLE.
Praktischer Tipp am Ende für alle werdenden Eltern: Wie sollte man auf die Frage „Was wird es denn“ am besten reagieren?
Ein Baby!
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