Essen als Geschmacksraum

Wie schmeckt ein Apfel? Süß, sauer, irgendetwas dazwischen? Schmeckt ein Apfel, in den ich reinbeiße genau so wie ein geschnittener Apfel? Fein pürierter Apfel? Gebackener Apfel? Nein! Je nachdem, wie man den Apfel isst, ob roh oder verarbeitet, schmeckt er anders. Die Konsistenz machts. Allerdings weiß ich immer noch nicht, was süß und sauer bedeuten. Und das finde ich erst dann heraus, wenn ich etwas probiere. Wie eben einen Apfel.

Ein Gedankenexperiment: Im Supermarkt

Stelle dir vor, du betrittst einen normalen Supermarkt. Du schlenderst durch die Regale. Da ist abgepackter Eisbergsalat. Eine Schale Erdbeeren. Ein Netz mit Kartoffeln. Eine genormte Gurke. Eine immer gleich aussehende Zucchini. Du gehst weiter, schiebst den großen Einkaufswagen vor dich hin. Im Kühlregal befinden sich die bekannten Verpackungen, Becher, Tüten. Sobald du an etwas Bestimmtes denkst, weißt du auch sofort wie es schmeckt. Monti schmeckt nach Monti. Kinder Pingui schmeckt nach Kinder Pingui. Selbst der Eisbergsalat hat immerzu den gleichen Geschmack.

Der Hintergedanke hier ist, dass industrielle Lebensmittel immer nach Schema F hergestellt werden. Immer die gleichen Zutaten, immer die gleiche Menge. Letztendlich bestimmen Aromen den Geschmack. Und um den Geschmack geht es hier. Es ist immer der gleiche Geschmack. Darauf können wir uns garantiert verlassen, dass das Labor seine Arbeit gut machen wird. Sobald wir also durch den Supermarkt schlendern und etwas sehen, wissen wir wie es schmeckt. Und Zack, im Gehirn wird Lust ausgelöst. Wir bekommen Hunger darauf. Es landet im Einkaufswagen. Unser Belohnungssystem im Gehirn ist aktiviert. Wir sind begnügt und kaufen weiter ein. Je länger wir übrigens im Supermarkt unterwegs sind, desto mehr kaufen wir ein. Dabei spielen außerdem Faktoren eine Rolle wie Licht, Anordnung der Regale und Lebensmittel (darauf gehe ich hier nicht weiter ein).

Nicht Herr meines eigenen Geschmacks

Fazit: Nicht wir bestimmen den Geschmack, sondern die Lebensmittelindustrie. Auch unser Verständnis, wie etwa eine Zucchini oder Tomate auszusehen hat. Und so richtig lecker schmecken Supermarkt-Tomaten nicht. Sie sehen alle gleich aus, schmecken gleich. Wenn man einmal eine selbstgepflückte, reife Tomate aus dem Garten probiert hat, weiß man Bescheid. So ähnlich wie die Truman Show: Man lebt sein Leben, alles ist gut. Und dann erfährt man, woher Dinge kommen, wie sie hergestellt werden und welchen Einfluss sie auf unsere Gesundheit haben. Dann ist kein Zurück mehr. Man weiß es eben ;-).

Kubimi – Ganz nach meinem Geschmack

Bei Kubimi geht es viel mehr als um physische Raumschaffung. Ich weite den Begriff aus: Es geht darum, bewusst Essen auszuwählen und uns bewusst einen Geschmacksraum zu schaffen. Eben auch bewusst mit der Lebensmittelindustrie umzugehen. Der Supermarkt macht uns zu passiven Konsumenten. Ich möchte selbst entscheiden wie viel Zucker und ob überhaupt ich in meinen Joghurt geben möchte. Außerdem schmeckt Naturjoghurt mit Früchten (ob ganz oder püriert) anders als ein gekaufter Fruchtjoghurt. Mit enthaltenen Aromen, öfter mal zugesetzten Zucker und Citronensäure. Nicht gerade etwas, was ich selbst meinem Joghurt beimischen würde. Außerdem schmeckt ein gekaufter Joghurt stets immer gleich. Selbst gemacht eben nicht. Dabei fällt mir ein Zitat von Linda von Glahn ein, das ich neulich in einem Interview gelesen habe. Ihr Zitat bezieht sich auf Beikost. Er trifft allerdings auf alles zu:

“Selbst den Brei zuzubereiten hat viele Vorteile. Wenn ich einen Möhrenbrei selbst koche, verändert sich der Geschmack jedes Mal ein bisschen. Das Gläschen aus dem Regal hat dagegen einen immer gleichen Geschmack”.

Linda von Glahn, Fachberaterin für Säuglings- und Kinderernährung und Ökotrophologin

Und um diesen Gedanken abzurunden, möchte ich nochmals auf mein Interview mit dem bekannten Ernährungsexperten und Bestsellerautor Hans-Ulrich Grimm verweisen. Das sagt er nämlich im Bezug zu Fertigprodukten und ihrer Geschmacksprägung:

Kinder glauben ja irgendwann, dass Essen so schmecken muss, und mögen das tatsächlich. Und darin liegt die Gefahr: denn es ist ja schlecht für ihre Gesundheit.

Hans-Ulrich Grimm, Interview auf rosengruen.net

Die Lebensmittelindustrie gaukelt uns Geschmäcker vor, die es in der Natur gar nicht gibt. Das hat zur Folge, dass uns gewissermaßen Autonomie genommen wird: Wir sind losgekoppelt vom echten Geschmack und werden zu passiven Konsumenten. Und gesundheitsschädigend ist es obendrauf.

Der Weg aus dem Supermarkt: Wie komme ich hier wieder raus?

Der Weg hieraus ist eigentlich gar nicht so kompliziert. Wie bei allem gilt: Sich bewusst werden, was du kaufst. Probiere mal, wenn du das nächste Mal im Supermarkt bist, bewusst durch die Regale zu gehen. Hinterfrage alles, was du in den Korb legst. Lese dir die Inhaltsstoffe durch. Recherchiere im Internet. Schlage im Buch nach.

Ich persönlich finde es abschreckend wie alles genormt ist. Alles schmeckt gleich. Alles sieht auch fast gleich aus. Einen guten Vergleich bekommst du, wenn du einmal auf einem Wochenmarkt einkaufen gehst (auch da kritisch sein). Aber hier findest du Gemüse wie zum Beispiel Zucchini, die eine andere Form hat als die im Supermarkt. Andere Sorten an Tomaten: Ochsenherztomaten, fleischige Tomate, die duften und echten Geschmack haben. Auch alte Gemüsesorten. Oder Gemüse, dass du sonst nicht im Supermarkt bekommst. Eine Schwarzwurzel (Ein Pendant zu Spargel im Winter).

Eine weitere Alternative zum echten Obst und Gemüse wäre beispielsweise eine Gemüsekiste. Seit wir auf dem Land leben, holen wir einmal in der Woche unsere Gemüsekiste ab. Karotten mit Erde. Neue Sorten, die wir noch nicht gekannt haben wie Stielmus bzw. Rübstiel. Pastinaken. Rote Beete. Kürbis. Kohl. Das schönere daran: Wir beschäftigen uns mit dem Gemüse. Was kann man damit kochen? Pastinaken würfeln, in Scheiben schneiden, im Backofen zu Chips rösten, daraus Spaghetti machen und so weiter. Ich bestimme über den Geschmack und Konsistenz. Ich setze mich bewusst mit dem Essen auseinander. Gleichzeitig ist das Gemüse nicht genormt. Gurken sind schon einmal krumm, Zucchini größer als der Spiralschäler erlaubt (für diesen passen nur handelsübliche Zucchini und Karotten. Auch da sieht man, inwieweit alles genormt ist und wie alles aufeinander abgestimmt ist).

Selber kochen und zubereiten anstatt zu kaufen: Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit Beikost für Babys (ein eigener ausführlicher Artikel folgt). Da ist es ähnlich. Es gibt unzählige Gläschen. Süß und herzhaft. Auch da gilt kritisch hinterfragen. Warum kaufen und nicht selbst zubereiten? Welchen Geschmack bekommt mein Baby mit? Und wie Hans-Ulrich Grimm das so schön sagte in seinem Buch (Gesundes Essen für unsere Kinder): das sind die Konsumenten von morgen. Denn die Gläschen schmecken alle nach Einheitsbrei – im wahrsten Sinne des Wortes – und trainieren bereits den Geschmack der Kleinsten.

Also raus aus dem Supermarkt und selbst den eigenen Geschmackraum kreieren. Es gibt so viel mehr da draußen 😉

Kurze Zusammenfassung: Die Lebensmittelindustrie kreiert und verfälscht Geschmäcker. Ein Fruchtjoghurt aus dem Supermarkt schmeckt anders als ein selbstgemachter. Oft verwendet sie überflüssige Zutaten, die wir uns selbst nie auf den Teller legen würden, die darüber hinaus auch gesundheitsschädigend sein können. Ich möchte Kubimi bewusst auch auf andere Bereiche erweitern: So verwende ich den Begriff nicht für den physischen Raum, sondern weite ihn bewusst auch auf andere “Räumlichkeiten” aus – wie etwa den Geschmacksraum. Diesen Geschmackraum nehmen uns Fertigprodukte. Um uns diesen neu zu gestalten und bewusst selbst zu entscheiden, was wir schmecken wollen, sind drei Dinge hilfreich: Kritisch bewerten, vergleichen (Wochenmarkt, Gemüsekiste) und selbst kochen.